MiniBar-Mitzvah

16März2018

Zehn Meter entfernt vom Grab von König David (der mit Goliath, mit der Harfe und mit den Psalmen) werden viele Besucher dieses jüdischen Heiligtums von einem orthodoxen Juden angesprochen. Die meisten erhalten ein Visitenkärtchen und eine Art Reisesegen, gepaart mit der freundlichen Frage, woher man denn komme und ob das Judentum nicht eine tolle Sache sei. Missionierung kann man das nicht nennen. Ist so auch gar nicht vorgesehen im Judentum. Also eher so etwas wie Imagepflege? Wie auch immer.

Als die kleine Krefelder Reisegruppe heute Morgen am Davidsgrab eintrifft, besucht sie wie andere Touristen auch den Steinsarg des großen Königs der Juden. Beim Verlassen der Nische wird auch das geschätzte Gruppenmitglied Benedikt von eben diesem orthodoxen Juden angesprochen. Es muss wohl passiert sein, als der Schreiber dieser Zeilen hier gerade abgelenkt war, denn wie ließe sich sonst erklären, dass er den schon weitergegangenen Benedikt plötzlich mit einem traditionellen jüdischen Gebetsriemen um den Kopf und am Arm wiedertrifft?

Minuten später nimmt der Orthodoxe seine drei Mitreisenden Jakob, Vincent und Clemens an die Hand und führt zusammen mit dem Geriemten ein jüdisches Tänzchen auf. Die Musik dazu steuert er selbst bei. Etwas schwindelig vom Kreistanz und von den Gebeten und Ritualen muss sich Benedikt anschließend erst mal setzen. Zum Judentum ist er mit dieser MiniBar-Mitzvah nicht umgetauft worden – trotz der Anstrengung. Die Zuschauer finden aber: es war kurz davor

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Obige Szene spielt übrigens auf dem Zionsberg, wo die Gruppe bereits vor zehn Uhr die Dormition Abtei (mit dem Sterbeort Marias) und den Abendmahlssaal ins touristische Visier genommen hatte.

Am Fuße des Bergs bekommt anschließend der christliche Friedhof Besuch aus Krefeld. Hier liegt Oskar Schindler begraben. Sein Grab ist auch ohne Lageplan leicht zu finden, ist es doch über und über mit kleinen Steinen belegt. Moritz hat die Details zu dieser schillernden Unternehmer-Persönlichkeit und ergänzt mit seinem Vortrag souverän die Informationen, die auch Guide Judith in Yad Vashem zu diesem „Gerechten unter den Völkern“ gegeben hatte. Die Fragen nach den Bestattungsriten allgemein und speziell denen der Juden sind bei den theologisch bewanderten Kolleginnen in guten Händen. Haben wir wieder was gelernt.

Nach der zweistündigen Shopping- und Mittagspause muss der zweite Teil des Rundgangs zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt kurz unterbrochen werden, denn gerade ist das Freitagsgebet der Muslime zu Ende gegangen und zigtausende Moscheebesucher fluten die kleinen Gassen rund ums Jaffa Gate. Da ist kaum ein Durchkommen, denn der Start des zweiten Teils liegt in entgegengesetzter Richtung am Lions Gate. Da bleibt also Zeit, mal nach den Erfolgen bei den Preisverhandlungen beim Kauf von Souvenirs zu fragen. Angst um ihre Existenz müssen die Händler nicht haben, aber die BMMG Kulturtouristen kalkulieren scharf und gnadenlos – und schaffen am Ende Preisreduzierungen von über 50% des Ausgangspreises. Das ist schon nicht schlecht. Natürlich macht der Händler dabei ein trauriges Gesicht, aber in der Regel hat er immer noch ordentlich Gewinn gemacht.

Ein kühler Wind pfeift durch das Jaffa Gate, das auch noch das größte aller Stadttore ist. Die dreiköpfige Reiseleitung mahnt zum Aufbruch. Der Strom der Gläubigen hat gerade etwas abgenommen, aber nur, weil alle Richtung Damascus Gate im arabischen Viertel unterwegs sind. Dort ist der Hauptausgang für die Bewohner arabischer Wohnviertel außerhalb der Altstadt. Auch der BMMG City Marsch führt durch dieses Tor und kollidiert damit voll mit den heimwärtsorientierten Muslimen.

Das Ganze endet in einem Riesengedrängel – auch, weil Händler dazwischen auch noch ihre Stände mit Sonderangeboten aufgestellt haben. Die Karawane im Schrittempo zum Tor hin wird begleitet von einem eindrucksvollen Chorkonzert, in dem die Sänger durch die Standbesitzer ersetzt wurden. Jeder ist lauter als sein Nachbar und der Dattelverkäufer in der Mitte der Straße schafft sogar gefühlt die 100 dB Grenze. Etwas zerknittert und halbtaub entrinnt die Reisegruppe soweit vollständig der Altstadt. Aber immerhin gab es auf diese Weise eine Dosis Orient vom Feinsten.

Außen an der Mauer entlang ist bald der Ölberg erreicht. Am Fuße dieses in der Bibel oft erwähnten Bergs liegt die Kirche mit dem Grab Marias. Hier schauen die Israel-Reisenden genauso herein wie in den Getsemane Garten mit seinen 1000 Jahre alten Olivenbäumen. Jesus wurde dort von Judas verraten. Katharina gibt uns die Details und fasst die Bibelstellen zusammen. Auch zur Kirche der Nationen, deren bunte Fassade weltberühmt ist und die glich um die Ecke liegt.

Auf dem Weg den Berg hinauf verliert die Gruppe einen Teil ihrer Mitglieder. Nein, sie wurden nicht von hungrigen Kamelen verspeist. Schuld ist das Horrorwort eines jeden Reiseleiters: „Toilettenstop“. Als die Versprengten wieder dazu stoßen ist der Besuch der Dominus Flevit Kirche schon wieder vorbei. Er ist aber auch kurz gewesen, denn die Kirche ist wegen eines Gottesdienstens nicht begehbar.

Oben auf dem Ölberg angelangt warten schon der Kamelbesitzer und seine Jungs auf Touristen, die einmal kurz ein Wüstenschiff-Erlebnis haben wollen. Ein Kamel haben sie natürlich auch dabei. Einige Krefelder Kamelreiternaturtalente wagen den Ritt und genießen dabei die grandiose Aussicht auf die Altstadt und auf den Felsendom.


Allerletzte Station am heutigen Exkursionstag ist die Paternosterkirche. Etwa 200 Versionen des Vaterunsers hängen hier an den Wänden. Die Monte-Sprachtalente versuchen sich im Vorlesen diverser exotischer Varianten. Während die Version in Tagalog noch Potenzial nach oben hat, klingt die serbische Version, gelesen von Emily, sehr souverän. Auch perfekt vorgetragene  vietnamesiche (Ngan Ha) und portugiesische (Elisa) Rezitationen erfreuen das Ohr der Besucher.

 

Und dann gab es doch noch etwas: Den Beginn des Schabat an der Klagemauer wollen selbst nach neun Stunden Stadtexkursion auch noch viele Delegationsmitglieder sehen – am besten in Kombination mit der Grabeskirche, denn abends ist sie nicht so voll. Ob’s geklappt hat … erfährst du, lieber Freund dieses Blogs, dann in den kommenden Einträgen.

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